Ufff. Was eine rasante Zeit. Für alle. Die einen versuchen im Home Office ihr bestes, die anderen geben, was sie können, in den Jobs, in denen kein Home Office möglich ist ( Krankenhaus, Pflege, Apotheken, Supermarkt, Notbetreuungen, Müllabfuhr, Post und Paketdienste…) an der „Corona-Front“, die anderen sind als 24/7 Eltern gefordert. Wir alle sind gefordert. Und stellen uns ein auf diese ungekannte Situation, weil uns gar nichts anderes übrig bleibt. 

Veränderung. So einfach.

 Und gleichzeitig erleben und spüren wir den Schmerz des Verlusts. Uns fehlen nicht unbedingt neue Turnschuhe, aber doch ein Abend mit Freunden … der wöchentliche Sportabend … eine Umarmung. Weil das virtuell halt immer noch nicht so schön ist.

Und gleichzeitig entsteht für viele ein neuer Raum, weil Zeitkapazitäten entstehen, die vorher ja nicht da waren. In diesen neuen Raum passen möglicherweise auch neue Denkansätze.
Vielleicht gelangen wir in den nächsten Wochen zu der Ansicht, dass die Überzeugungen, die im Industriezeitalter geprägt wurden, doch ausgedient haben und uns nicht besonders gut tun. Vielleicht beginnen wir damit, uns zu besinnen und festzustellen, dass Jahrtausende alte Weisheiten nicht irgendwelcher mystischer Quatsch sind, sondern überlebenswichtig für uns Menschen?

Aber von vorne: Was sind die Überzeugungen des Industriezeitalters?

1. Trennung: Wir haben gelernt, dass wir voneinander getrennt sind. Jeder für sich allein steht. Individuen. Was uns das Gefühl geben kann, dass wir allein klein und machtlos sind. Und im Moment erleben wir auf der einen Seite auch genau das besonders intensiv. Wir werden getrennt, sollen Abstand halten. Dürfen uns nicht sehen, berühren …

2. Verknappung: Wir wachsen in dem Bewusstsein auf, dass nicht genug für alle da ist. Und einige Menschen halten so sehr daran fest, dass sie Klopapier, Desinfektionsmittel, Waffen, Mehl horten, als gäbe es kein Morgen mehr.

3. Wettbewerb: Von Kindesbeinen an laufen wir um die Wette, werden verglichen und wollen besser sein als andere. Und derzeit zeigt sich der Wettbewerb am Supermarktregal.

4. Kampf: Wir müssen kämpfen – gegen andere Menschen, Unternehmen, gegen dieses Virus, für unser Recht.

5. Bedeutungslosigkeit: Jeder allein ist unwichtig. Wir müssen uns beweisen, wir müssen im Vorstellungsgespräch klarstellen, was uns von anderen abhebt, was unser USP ist – wir müssen jede Menge tun, um Bedeutsamkeit in unserem Leben zu erlangen. Unser bloßes Dasein ist nichts wert.

Wenn wir diese Überzeugungen durchlesen, welche Gefühle lösen sie denn aus? Bei mir erstmal Stress und Anspannung. Viel Müssen, viel Aktionismus bis hin zur Erschöpfung. Verzweiflung, weil sich die Frage auftut, wozu das denn alles, wenn es am Ende bedeutungslos ist? All dieses Rennen, Arbeiten, höher, schneller, weiter als die anderen? Weiterhin lösen sie auch Druck aus- und Angst. Davor zu versagen, nicht schnell genug und nicht gut genug zu sein. Zu verlieren. Zu schwach zu sein. Nicht richtig zu sein. Allein gelassen zu sein. Klingt nicht nach Lebenslust und Lebensfreude, Spaß und Genuss.

Und plötzlich taucht da dieses Virus auf. Absehbar oder nicht … darauf war der Mensch nicht vorbereitet. Was vielleicht ja ganz gut ist. Um ein altes verkrustetes, ungesundes System erstmal durcheinander zu bringen. Eine systemische Regel: Durch Perturbation (Störung) etwas Festgefahrenes in Bewegung zu bringen. Und uns ein bisschen Zeit zu verschaffen. Zum durchatmen, nachdenken, umdenken und neue Wege ausprobieren.

Nehmen wir doch mal an, dass die Verschwörungstheoretiker nicht recht haben, sondern uns die Erde diese Zeit „geschenkt“ hat – als kleinen Denkzettel mit sofortiger Wirkung: Blauer Himmel über China. Delphine in Venedig. Fast autofreie Straßen, Feinstoffwerte fallen drastisch … Aktien auch. Ich weiß. Und ich weiß auch, dass es wirtschaftlich wirklich eine große Herausforderung ist. Ich möchte nichts davon klein reden. Ich möchte ja nur eine zusätzliche Perspektive in den Raum stellen.

Was haben nun alle alten Weisheitslehren gemeinsam? Was sind die grundlegenden Überzeugungen auf denen sie basieren?

1. Verbunden Sein: Auch, wenn social distancing angesagt ist und daheim bleiben, also mehr Einsamkeit, gibt es plötzlich gemeinsame Musik vom Balkon. Auch wenn Ländergrenzen plötzlich wieder Grenzen sind, die gerade nicht überschritten werden sollen, so unterstützen sich die Länder gegenseitig, fühlen miteinander. Selten gingen uns Schicksale unbekannter Menschen, die sterben, so nah.

2. Fülle: Es ist für alle genug da. Verknappung ist ein künstliches Werkzeug, das erschaffen wurde, um Menschen mehr voneinander zu trennen, als sie zu verbinden. Wenn wir Ressourcen nicht bedenkenlos verschwenden, sondern achtsam damit umgehen, dann ist für alle genug vorhanden.

3. Kooperation: Es zeigt sich besonders jetzt, dass ohne Kooperation nichts funktioniert. Teams arbeiten online miteinander und ich wage zu vermuten, dass es weniger sinnlose Diskussionen gibt als vorher. Produktionen stellen um, um dort zu unterstützen, wo Hilfe gebraucht wird. Allein kommen wir tatsächlich nicht weit. Wenn wir uns zusammen tun, dann gelingen uns Wunder.

4. Harmonie: Der Mensch ist dazu gemacht, im Miteinander zu leben. Das Gegeneinander kostet viel Kraft und Energie und in den schlimmsten Fällen das Leben. Kein Mensch ist gern in Konflikt. Harmonie ist gut für unser Immunsystem und für unseren Fortbestand. Andere Lebewesen zeigen uns das seit Jahren. Es gilt nicht allein: Survival of the fittest. Tiere, Pflanzen, Pilze- alles braucht einander und ist über unfassbare Netzwerke miteinander verbunden und halten so das Ökosystem am Laufen. Ähnlich bei uns Menschen. Auch der fitteste würde allein nicht überleben.

5. Bedeutung: Jeder Mensch ist von Bedeutung. Auch das zeigen uns diese Tage ganz besonders. Jeder einzelne, kann das im Moment zeigen. Nicht durch große Erfolge. Sondern, dass er seinen Job macht. Dass er für ältere Nachbarn einkauft. Dass er sich an die Ausgangsbeschränkung hält. Dass er kreative Lösungsideen hat für die derzeitige Situation. Dass er Puppentheater am Zaun spielt. Dass er jemanden zum Lachen bringt. Mut macht. An Besinnung erinnert. 

Was lösen diese Überzeugungen bei Lesen aus? Möglicherweise ja Hoffnung, dass wir es gemeinsam gut hinbekommen können. Hoffnung, dass wir diesen Planeten noch nicht zum Ende gewirtschaftet haben, sondern noch eine Chance bekommen.

Eventuell erzeugen sie auch ein positives Gefühl von eigener Macht. Eine Macht, die uns im Miteinander stark macht. Eine Macht, die wir endlich richtig nutzen sollten. Jeder kennt seine tiefen inneren Wünsche. So essentiell, so einfach. Und dennoch unterdrücken wir sie. Wir schütten uns mit Arbeit zu. Freizeitstress. Fernsehen, Netflix, Zocken … jeder kennt seine Betäubungsmittel. Und jetzt haben wir die Chance zu graben. Erst den Keller und den Garten aufräumen und dann unsere Seelen. Ordnung im außen schafft Ordnung im innen. Also sind der Keller und der Garten schon mal gute Schritte in die richtige Richtung hin zum inneren Frieden.

Und dann ist es an der Zeit neugierig zu sein! Wie lösen wir im Kollektiv unsere Herausforderungen, wie gelingen unsere Hausaufgaben? Was wollen wir in Unternehmen anders machen? Derzeit gibt es schon 3 Szenarien für das Bruttoinlandsprodukt 2021. Ist das denn immer noch das richtige Maß, mit dem wir weiter messen wollen?

Es gibt so vieles über das es sich GERADE JETZT lohnt nachzudenken und zu diskutieren.

Nutzen Sie diese Zeit. Verschwenden Sie sie nicht damit, stundenlang die Nachrichten zu absorbieren. Nutzen Sie diese geschenkte Zeit. Für sich. Für uns alle.

DANKESCHÖN VON HERZEN
Ihre Iris Dorn